Narzissten in der Führungsetage

Ist die Chefetage bevölkert von Narzissten? Welche Folgen haben diese für Unternehmen? Was können betroffene Mitarbeiter tun? In seinem Buch „Narzissten, Egomanen, Psychopathen in der Führungsetage“ geht Dr. Gerhard Dammann, Diplom-Psychologe und ärztlicher Direktor der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen am Bodensee diesen Fragen nach.

 

Herr Dammann, in Ihrem Buch schreiben Sie, dass 70 Prozent aller Mitarbeiter, die ihr Unternehmen verlassen, dies wegen ihres Vorgesetzten tun? Sie schreiben auch, dass laut Bundeskriminalamt rund ein Drittel aller Wirtschaftsdelikte von Mitgliedern des Topmanagements begangen werden. Sicherlich lässt sich nicht alles auf narzisstische Manager zurückführen, doch haben diese wohl auch einen gewissen Anteil daran. Wenn Narzissmus sich derart zerstörerisch auf Unternehmen auswirkt, wieso gelangen so viele Egomanen überhaupt erst in die Führungsetage?

 

Das starke Bedürfnis nach Bewunderung und Anerkennung, das dem Narzissmus, meist auf dem Boden von mangelnder echter Wertschätzung in der Kindheit, zu Grunde liegt, wirkt wie ein Motor, durch noch mehr Erfolg endlich das zu erhalten, was man innerlich so sehr entbehrt. Wenn noch Intelligenz hinzukommt, kann so jemand sehr erfolgreich sein und gelangt damit schnell in die Führungsetage eines Unternehmens.

 

Welche Auswirkungen können solche Vorgesetzten auf ihr Arbeitsteam haben?

 

Während „gutartige“ Formen von stärkerem Narzissmus auch nicht selten mit charismatischer Ausstrahlung und Visionen verbunden sind, die ein Team zu außergewöhnlicher Leistung motivieren können, zeichnen sich pathologisch narzisstische Chefs dadurch aus, dass sie rücksichtslos sind, andere stark entwerten, ein Klima von „Freund oder Feind“ erzeugen, und ihre eigenen Ansprüche an die Arbeit als Maßstab für alle werten. Dies kann zu erheblichem Druck, auch Mobbing oder Burnout bei den Teams führen. Am häufigsten ist aber die hohe Fluktuation der Mitarbeitenden, die es nicht lange aushalten. In der Extremformen des destruktiven Narzissmus, kann es sogar dazu führen, dass ein Unternehmen lieber zerstört als einem Nachfolger überlassen wird.

 

Was können Unternehmen tun, um sich vor dem negativen Einfluss narzisstischer Führungspersonen zu schützen?

 

In den Bewerbungsgesprächen und Assessmentverfahren sollte stärker auf diese Züge geachtet werden. Obwohl die Wirtschaft natürlich eine Affinität zu Marketing hat, sollte man großen Blendern gegenüber eher skeptisch sein. Übersteigerte, krankhafte Formen von Ich-Bezogenheit zeigen sich manchmal erst in Krisen oder unter starker Belastung. In meinem Buch habe ich versucht diagnostische Hinweise zu geben, wie man etwa an Hand des Lebenslaufs, typische Kennzeichen von solchen Persönlichkeiten identifizieren kann. Hilfreich wäre es natürlich auch, wenn man sich auf Referenzen wirklich verlassen könnte, aber allzuoft werden ungeeignete Mitarbeiter eben weggelobt.

 

Welche Handlungsempfehlungen geben Sie den Unternehmen und Mitarbeitern?

 

In manchen Fällen wird ein gutes und konfrontatives Coaching hilfreich sein, auch sollte die Mitarbeiter offen, wenn auch loyal, auf Schwierigkeiten, die sie haben zu sprechen kommen. Und schließlich kann bei großen Unternehmen geschaut werden, ob man für den narzisstischen Mitarbeiter eher eine Sparte findet, wo vielleicht sogar seine Eigenschaften, wie ein gewisses Maß an Hasardeurtum sogar gefragt sein könnten, wie zum Beispiel im Vertrieb.

 

Das Schlagwort “emotionale Intelligenz” ist in den letzten Jahren in den Mittelpunkt gerückt. Was genau bedeutet das und warum sollte ein Vorgesetzter diese Qualität mitbringen?

 

Der traditionelle Intelligenzbegriff fasst in erster Linie kognitive oder analytische Fähigkeiten zusammen. Gerade in der Führung sind jedoch das gute Wahrnehmen-Können von emotionalen Zusammenhängen sehr wichtig, was man heute manchmal als „emotionale Intelligenz“ bezeichnet. Diese Fähigkeit hat auch mit Empathie zu tun und der Möglichkeit des Perspektivenwechsels, d.h. die Sicht des anderen nachempfinden zu können. Narzisstische Personen haben gerade hier manchmal größere Defizite, obwohl sie sehr intelligent sind.

 

Welche Eigenschaften machen Ihrer Meinung nach Persönlichkeiten aus, die ein Unternehmen zu außergewöhnlichen Leistungen und Veränderungen führen können?

 

Es sind Personen, die bei allem Ehrgeiz und Wunsch nach Macht, die Sache an sich nicht aus den Augen verlieren. Sie sind somit mit dem was sie tun, innerlich verbunden, wie in einer Beziehung. Dies ermöglicht ihnen auch Misserfolge und Durststrecken durchzustehen. Sie können anerkennen, dass sie angewiesen sind auf die Mitarbeit von anderen.

 

Gerhard Dammann: Narzissten, Egomanen, Psychopathen in der Führungsetage. Fallbeispiele und Lösungswege für ein wirksames Management. Haupt Verlag, Bern, 2007.


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